bäume, die tanzen am ufer des sees
Nein, ich muss dies alles nicht aufschreiben, denn ich kenne es ja schon. Ich weiß genau, wie es sein wird und wie es endet. Es ist ja alles bereits in meinem Kopf.
Doch warum tue ich es dennoch? Ich kenne das violette Abendlicht am See, die glatte, windstille Ruhe, die über ihm liegt, die Enten, die sich am Kieselstrand zum späten Putzen und Plauschen treffen, die knorrigen Bäume an der Promenade – und ich weiß, wie sie erst scharfe Umrisse zeichnen und dann zu tanzen beginnen. Ich kenne die Menschen dieses kleinen Ortes, die bald ihre Hunde noch einmal mit zu den Bänken bringen oder Besorgungen erledigen und dann nach Hause eilen, ohne jedoch zu vergessen, noch einen letzten Blick in dieses Vergehen des Tages zu werfen.
Nein, ich muss es nicht aufschreiben, denn ich habe es so oft schon aufgeschrieben, vielleicht hundert Mal und hundert Mal gesehen; jede einzelne Facette dieses ganzen Panoramas. Ich brauche es nicht zu notieren, denn morgen und an allen anderen Tagen wird es genauso sein.
Aber warum? Warum tue ich es dennoch, wenn es mir doch so gleich erscheint? Warum gehe ich wieder hinunter zum Ufer am Abend, zu den Bäumen, den Menschen, den Tieren, dem Licht, dem Vergehen? Warum gehe ich wieder und wieder hin und schreibe es wieder und wieder auf?
Vielleicht weil es doch nicht dasselbe ist? Weil es niemals dasselbe ist, das, was ich sehe, obwohl ich es mir selbst gegenüber so beharrlich behaupte – dieselben Zutaten, das schon, aber niemals dieselbe Mischung? Wenn ich es doch so genau weiß, warum gehe ich dann hin? Und warum schreibe ich es dennoch auf? Wenn ich es kannte, wenn es bereits in meinem Kopf ganz und gar vollständig bereitet wäre – wozu dann die Arbeit? Wozu das Hingehen, wozu das Aufschreiben?
Nein, die Bäume tanzen morgen wieder im Abendlicht, und es wird wieder und wieder ein ganz neuer Tanz sein – und ich werde wieder dort sein, um es zu sehen und um davon zu schreiben. Denn ich habe mich getäuscht, ich habe mich täuschen lassen, von denen, die meinen, alles bereits gesehen und alles bereits erledigt zu haben mit einem Mal. Ich bin ihnen auf den Leim gegangen, war hochmütig, wie jene, die alles für abgemacht halten. Aber zum Glück haben der See und sein Licht mich daran erinnert und mich wieder an meinen Platz an seinem Ufer gestellt, weitab von denen, die glauben alles zu kennen und alles gesehen zu haben.
(TFS)