Uell S. Andersen - dreh dich um, so schnell du kannst
Aus dem Vorwort zur Neuauflage:
"Nicht nur unsere Kinder sind den Eltern übergeben, sondern wir, die Eltern, ebenso unseren Kindern. Und vor allem wohl wir unseren Kindern – denn wir, die Eltern, haben so vieles von dem vergessen, woran unsere Kinder uns erinnern. Wir haben uns so oft verloren in dem, was wir suchten. Und wir haben so oft gedacht, dass das, was wir suchen, uns glücklich macht, sobald wir es einmal gefunden haben. Bis wir das, was wir suchten, vor Augen hatten und in greifbarer Nähe und merkten, dass es keineswegs das war, wonach wir wirklich gesucht hatten. Es war bloß ein Trugbild gewesen, eine Täuschung, die „Maya“ wie der indische Philosoph Shankara sie beschrieb.
Und doch suchten wir unbelehrbar immer weiter nach dem, wovon wir dachten, dass es uns fehle und wurden doch nur immer ängstlicher und leerer und unglücklicher. Denn das, was wir wirklich suchen, haben wir während dieser Suche verloren:
„Es sei denn, dass ihr umkehret und werdet wie die Kinder (…)“ [Mt. 18:3].
Uell S. Andersen beschreibt in seiner kurzen, feinen Erzählung die Geschichte vom „verlorenen Sohn“ gewissermaßen als eine Geschichte vom „verlorenen Vater“. Dieser Vater unternimmt mit seinem Sohn einen Ausflug von der kalifornischen Küste zu den Myrtle Falls, um dort ein paar ruhige Tage mit Angeln und dem Schwelgen in der Vergangenheit zu verbringen. Denn dort, bei den Myrtle Falls, hat er in jungen Jahren selbst vermeintlich bessere Zeiten verlebt und möchte diese gemeinsam mit seinem Sohn wieder aufleben lassen.
In dem kleinen Städtchen angekommen, erfahren sie von einem verborgenen See, in dem es von Forellen nur so wimmeln soll. Auf Drängen des Sohnes beschließen sie, diesen See flussaufwärts hoch oben in den Bergen zu suchen. Der Vater kennt solche Geschichten aus seiner Vergangenheit und dennoch entschließt er sich dazu, den See trotz der bohrenden Zweifel gemeinsam mit dem Sohn nun endlich zu suchen. Er lässt sich zunächst vom Enthusiasmus seines Sohnes anstecken, doch nach dieser anfänglichen Euphorie schwindet seine Hoffnung schon bald wieder. Alte, längst vergessen geglaubte Dämonen steigen unvermittelt aus der Vergangenheit in ihm auf, während er sich den beschwerlichen Weg mit der Machete durch den beinahe undurchdringlichen Dschungel entlang des Flusses bahnt: Ängste vor dem Versagen, Ängste nicht zu genügen, Ängste vor einer Wahrheit, Ängste davor, dass die Träume wieder zerplatzen könnten – und keine neuen folgen! Seine scheinbar so stabile und in Wirklichkeit so fragile Lebens-Geschichte, in der es sich der Vater eingerichtet hat, droht über ihm zusammenzustürzen, denn er merkt, dass er keinen seiner Träume weitergeträumt hat – dass er, vollends in einer vermeintlichen Realität angekommen, eigentlich ausgeträumt hat..."